Fälle aus der Praxis

Hier finden Sie Beispielfälle aus der Praxis:

  1. Mobbing durch Kollegen

    Herr K. wird von der Gewerkschaft an die Gleichstellungsrätin weitergeleitet. Er arbeitet seit 14 Jahren als Angestellter in einem Handwerksbetrieb. Vor ca. zwei Jahren kam ein neuer Kollege in den Betrieb, der die Funktion eines Vorarbeiters übernahm. Von Beginn an war die Beziehung „schwierig“, berichtet der Klient. Von Anfang an wurde vom Vorarbeiter jegliche Zusammenarbeit abgelehnt, die notwendig gewesen wäre, um die Aufträge gut zu bearbeiten. Bei Nachfragen zur Ausführung der Arbeiten wurde der Klient hingehalten, der Vorarbeiter meinte, er würde die notwendigen Unterlagen zum gegebenen Zeitpunkt erhalten. Daraufhin führte  Herr K. ein Gespräch mit dem Inhaber des Betriebes und bat ihn, mit dem Vorarbeiter zu sprechen, damit die Abrechnungen zeitgemäß stattfinden konnten. Nach diesem Ereignis verschlechterte sich die Situation laut Herr K. stark. Der Vorarbeiter ließ ihm keine Informationen mehr zukommen und stellte ihn bei jeglicher Gelegenheit bloß, indem er vor den Kollegen „schlechte“ Witze über ihn machte. Laut Angabe von Herrn K. verschwanden zudem immer wieder Papiere von seinem Schreibtisch. Nach einiger Zeit erfuhr er von seiner Kollegin aus der Verwaltung, dass der besagte Kollege Gerüchte über ihn in die Welt setzte (z. B. dass er alkoholsüchtig sei).

    Herr K. wandte sich daraufhin an die Gewerkschaft. Diese riet ihm, sich an die Gleichstellungsrätin zu wenden, damit eine Mediation stattfinden könne.

    Herr K. wurde von der Gleichstellungsrätin über die rechtliche Situation bei multiplen Diskriminierungen am Arbeitsplatz aufgeklärt. Darüber hinaus nahm sie mit dem Arbeitgeber Kontakt auf und meldete die Vorfälle. Es wurde ein Mediationstisch mit dem Arbeitgeber, der Gewerkschaftsvertreterin, dem Arbeitnehmer und der Gleichstellungsrätin als Mediatorin eingerichtet. Der Arbeitgeber bot an, den Vorarbeiter an eine andere Arbeitsstelle zu versetzen, um den Kontakt zu minimieren. Darüber hinaus wurde eine mündliche Mahnung gegenüber dem Kollegen ausgesprochen. Zudem wurde mit dem gesamten Team ein Teamtag veranstaltet und in diesem Zusammenhang auch die Dynamiken beleuchtet, die zu Mobbing führen können.

  2. Sexuelle Übergriffe am Arbeitsplatz

    Eine Arbeitnehmerin wandte sich in der Sprechstunde an die Gleichstellungsrätin. Bei der telefonischen Anmeldung gab sie an, anonym bleiben zu wollen, da sie bei Bekanntwerden Ihrer Anfrage negative Konsequenzen befürchtete.
    In der Sprechstunde selbst wirkte die Klientin nervös und ängstlich. Sie gab an, nur auf Drängen einer guten Freundin die Beratung in Anspruch genommen zu haben.
    Die Gleichstellungsrätin klärt sie darüber auf, dass die Beratung, soweit erwünscht, anonym ist und jegliche Intervention ausschließlich in Abstimmung mit ihr durchgeführt wird.

    Nach anfänglichem Zögern gewinnt die Klientin zunehmend Vertrauen und beginnt zu erzählen. Sie arbeitet seit 8 Jahren als Abteilungsleiterin in einem Unternehmen der Privatwirtschaft. Vor ca. einem Jahr wurde eine Leitungsstelle einer anderen Abteilung neu besetzt. Der Kollege pflegte, nach Auskunft der Klientin, von Beginn an ein „kollegiales“ Verhältnis. Er suchte ihre Nähe, indem er sie regelmäßig zum Kaffeetrinken oder nach Feierabend auf einen Aperitif einlud. Letzteres wurde von der Arbeitnehmerin immer abgelehnt, da sie keinen privaten Kontakt mit den Kolleginnen und Kollegen haben wollte.
    Die Klientin erzählte weiter, dass nach den anfänglichen von ihr als „harmlos“ interpretierten Annäherungsversuchen die Äußerungen des Kollegen „expliziter“ wurden. Daraufhin habe es ein Gespräch gegeben, indem sie ihm klar sagte, dass sie keinen privaten Kontakt mit ihm haben wolle und er die Annäherungsversuche zu unterlassen habe. Ab diesem Zeitpunkt sei die Situation gekippt, der Kollege habe begonnen, vor den Kolleginnen und Kollegen sexuell anrüchige Witze, die an sie gerichtet waren, zu machen und habe keine Gelegenheit ausgelassen, sie „anzumachen“. Auch wartete er regelmäßig auf dem Parkplatz auf sie, anfängliches Ignorieren brachte nichts. Eines Abends näherte sich der Kollege und belästigte die Frau sexuell. Sie konnte sich losreißen und erzählte niemanden davon. Sie begründete das damit, dass sie sich schämte, dass ihr dies passiert sei und dass sie nicht wolle, dass ihre Leitungskompetenz in Frage gestellt wird. Der Kollege ignorierte sie anfangs. Nach ca. zwei Wochen begannen die verbalen sexuellen Belästigungen erneut. Die Frau suchte daraufhin das Gespräch mit ihrem Arbeitgeber und schilderte ihm die Situation. Dieser nahm sie nicht ernst, er meinte, dass der Kollege das wohl nicht so meine. Sie solle einfach schauen, das Ganze zu vergessen.
    Der Klientin ging es emotional zu diesem Zeitpunkt schlecht, sodass ihr Arzt sie in den Krankenstand versetzte.

    Die Frau wurde von der Gleichstellungsrätin über die rechtliche Situation aufgeklärt, auch über strafrechtliche Konsequenzen und Möglichkeiten.

    Arbeitsrechtlich hat die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber die Pflicht laut Artikel 2087 des Zivilgesetzbuches die physische und psychische Gesundheit der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers zu gewährleisten. Er muss jegliche Maßnahme setzen, um sie zu schützen. Das heißt, dass er, in diesem Fall auch strafrechtlich Verantwortung trägt, wenn er nichts unternimmt, um die diskriminierenden Handlungen zu unterbinden.

    Die Gleichstellungsrätin machte eine offizielle Meldung an den Arbeitgeber. Es folgte ein Treffen, um den Sachverhalt darzustellen und den Arbeitgeber aufzufordern, sofort jegliche Maßnahme zu setzen, um die Arbeitgeberin zu schützen. Der Arbeitgeber gab an, die Situation „falsch“ eingeschätzt zu haben. Als Folge wurde ein Disziplinarverfahren gegen den Arbeitnehmer eingeleitet und alle weiteren Maßnahmen gesetzt, um die Arbeitnehmerin zu schützen.

    Darüber hinaus holte sich der Arbeitgeber zusammen mit seinem Team von Führungskräften eine Beratung zum Umgang mit sexuellen Übergriffen im Betrieb.

  3. Nichtgewährung eines Teilzeitarbeitsverhältnisses nach obligatorischer Mutterschaft

    Frau M. kommt in die Sprechstunde der Gleichstellungsrätin. Sie arbeitet in der öffentlichen Verwaltung und ist zur Zeit der Beratung in obligatorischer Mutterschaft. Sie gibt an, ein Ansuchen auf Reduzierung der Arbeitszeit (50 %) aufgrund von Verpflichtungen bezüglich Vereinbarkeit Familie und Beruf an ihre Führungskraft gestellt zu haben. Zeitgleich hatte auch eine andere Kollegin aus Pflegegründen einen Antrag gestellt. Der Kollegin wurde der Antrag auf Arbeitszeitreduzierung genehmigt, ihr nicht. Die Klientin fragt sich nun, ob das rechtens ist, da es keine offizielle Begründung, weder schriftlich noch mündlich, gab.

    Die Gleichstellungsrätin klärt die Arbeitnehmerin darüber auf, dass sie das Recht hat, eine schriftliche Begründung für die Ablehnung zu erhalten. Darüber hinaus müssen interne Kriterien zur Vergabe von Arbeitszeitreduzierungen vorliegen sowie eine eventuelle Rangordnung.
    Die Gleichstellungsrätin nahm in diesem Fall mit dem Vorgesetzten Kontakt auf. Es lagen keine Kriterien und keine Rangordnung vor. In einer Mediation einigte man sich auf eine Stundenreduzierung für beide Kolleginnen von 100 % auf 75 %. Bürointern kam es zu einer organisatorischen Umstrukturierung, um den Bedürfnissen der Arbeitnehmerinnen nachzukommen und um den reibungslosen Ablauf der Arbeit im Büro zu garantieren.

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