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Plenarsitzung - Gesetzentwurf zur Gewalt an Frauen und Kindern, Generaldebatte (2)

Die Stellungnahmen von Knoll, Mair, Amhof. Die Replik von LR Deeg. Erste 4 Artikel (von 21) genehmigt.

Gewalt an Frauen sei lange ignoriert worden, und es sei wichtig, das Thema anzusprechen, meinte Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit). Eheliche Auseinandersetzungen, auch mit Gewaltanwendung, seien als normal angesehen worden, auch, dass darüber geschwiegen wurde. Art. 13 sehe die Einlassung des Landes als Nebenkläger im Zivilverfahren vor - Knoll fragte, wie das praktisch funktionieren werde und bemängelte, dass die Bestimmung nur für Frauen gelte. Es gebe, wenn auch seltener, Gewalt auch im umgekehrten Falle. Bedenken äußerte Knoll auch zum erzieherischen Aspekt in diesem Gesetz, der auch eine ideologische Komponente enthalte: Bereits in der Schule wolle man anscheinend von den Geschlechterrollen abkommen, die Unterschiede zwischen Mann und Frau leugnen. Das würde zu weit gehen, Männer und Frauen seien nicht gleich. Er fragte, wie das dann mit Vereinen wie Männerchören und Jungschützen sei.

Ulli Mair (Freiheitliche) schickte voraus, dass die Freiheitlichen nicht Mitglieder im IV. Gesetzgebungsausschuss seien und somit die Arbeiten nicht verfolgen konnten. Sie sei immer dafür, Tabus abzubauen und Themen unideologisch anzugehen. Gewalt sei immer abzulehnen, nicht nur jene gegen Frauen. Der Gesetzentwurf betrachte nur Gewalt gegen Frauen und ihre Kinder, während auch andere Aspekte anzugehen seien, etwa Gewalt nach Alkoholmissbrauch, importierte Gewalt u.a. Vieles habe sich in den letzten Jahren geändert, auch durch die Sensibilisierung. Unter den Akteuren, die dieses Gesetz für die Prävention und Bekämpfung von Gewalt nenne, fehlten die Sicherheitskräfte. In den Dörfern seien z.B. die Carabinieri die erste Anlaufstelle. Das Land sollte auch dann als Nebenkläger auftreten, wenn häusliche Gewalt einmal umgekehrt verlaufe, auch wenn es selten sei. Wenn es um ein solches Thema gehe, sollte man die Männer nicht ganz beiseitelassen, z.B. bei Sensibilisierung und Beratung. Grundsätzliche werde ihre Fraktion dem Gesetz zustimmen, werde aber da und dort Anmerkungen machen.

Gewalt sei natürlich immer abzulehnen, nicht nur jene gegen Frauen, stimmte Magdalena Amhof (SVP) zu, aber man habe derzeit vor allem ein Problem mit Gewalt an Frauen. 30 Frauenmorde in Österreich dieses Jahr, 57 in Italien - allein das zeige, wie notwendig dieses Gesetz sei. Von den meisten Gewaltfällen werde man nie erfahren. Bestimmte Rollenbilder seien noch nicht aufgebrochen, aber mittlerweile sei es den meisten egal, ob sie von einem Arzt oder einer Ärztin behandelt würden. Oft werde den Opfern eine Mitschuld angelastet, z.B. wegen ihrer Kleidung. Es brauche noch Sensibilisierung und Prävention, und dafür sei das Gesetz wichtig. Grundgerüst dafür sei die Konvention von Istanbul, die auch von unterschwelliger und digitaler Gewalt spreche, zwei Bereiche, die zu vertiefen seien.

LR Waltraud Deeg freute sich über den Grundkonsens zum Gesetz. Sie dankte allen, die am Entwurf mitgewirkt hätten, dem Landeshauptmann, dem Beirat für Chancengleichheit, den Ämtern. Dass man die Gewalt an Frauen und Kindern in den Mittelpunkt stelle, habe seinen Grund in der Gewaltstatistik. Es gebe auch Berechnungen zu den Folgekosten für die Gesellschaft, auch wegen der posttraumatischen Behandlung. Es sei also auch ein Schaden für die Allgemeinheit, und das Rechtfertige die Einlassung des Landes als Nebenkläger. Zu den Rollenbildern erklärte Deeg, dass diese immer noch wirkten, was man auch an der Beteiligung an der Hausarbeit sehen könne. Das habe keinen ideologischen Hintergrund, gewisse Stereotypen hätten keine Berechtigung mehr. Die Zusammenarbeit mit Ordnungskräften und Gerichten sei wesentlich und vorgesehen, auch wenn die Abschaffung der Jugendgerichte Schwierigkeiten bringen werde. Es werde auch Beratung für Männer geben, gebe es auch bereits.

Anschließend stellte Sandro Repetto (Demokratische Partei - Bürgerlisten) seine Tagesordnung zum Gesetzentwurf vor, wonach bei der Abfassung von Gesetzentwürfen und Beschlüssen stets das weibliche grammatikalische Genus (Einzahl wie Mehrzahl) neben dem männlichen zu verwenden sei. Brigitte Foppa (Grüne) wies darauf hin, dass dies bereits vom Landtag beschlossen worden sei, aber dass jeder Text Entscheidungssache des Autors sei. Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) sah darin ein Problem, denn man rede nur von Tätern, nicht von Täterinnen, während Gewalt gegen Kinder oft auch von Frauen ausgehe. LH Arno Kompatscher verwies auf die Richtlinie der Landesregierung, die auf geschlechtliche Ausgewogenheit aber auch auf Verständlichkeit ziele. Repetto zog seinen Antrag zurück.

Der Übergang zur Artikeldebatte wurde mit 30 Ja und 1 Enthaltung genehmigt.

Art. 1 enthält Grundsätze und Ziele.
Brigitte Foppa wollte die “Gewaltsituationen” auch im Titel verankern. LR Waltraud Deeg sprach sich aus Gründen der Lesbarkeit dagegen aus; dass es darum gehe, müsste klar sein. Der Antrag wurde abgelehnt.
Franz Ploner forderte einen Verweis auf die Istanbul-Konvention im Artikel außerdem die explizite Nennung von häuslicher Gewalt, wie sie auch in besagter Konvention stehe. Sie habe bereits einen Änderungsantrag vorgelegt, der die Istanbul-Konvention nenne, eine einzelne Auflistung der Gewaltformen bereits im ersten Artikel sei nicht nötig, antwortete LR Deeg. Ploners Anträge wurden abgelehnt, jener von LR Deeg angenommen.
Der Artikel wurde mit 27 Ja und 4 Enthaltungen genehmigt.

Art. 2 enthält die Begriffsbestimmungen.
Franz Ploner beantragte auch hier die Benennung der Istanbul-Konvention, schließlich werde im Artikel auf das entsprechende Übereinkommen von 2011 verwiesen. Der Antrag wurde angenommen.
Der Artikel wurde mit 29 Ja und 2 Enthaltungen genehmigt.

Art. 3 definiert die Zuständigkeiten des Landes.
Franz Ploner forderte, dass neben der gebührenfreien Nummer 1522 auch die Grüne Nummer der Frauenhäuser genannt wird. Sven Knoll und Ulli Mair sahen die Notwendigkeit, eine lokale Nummer bekanntzumachen. Man werde versuchen, eine einheitliche Nummer auf Landesebene zu erreichen und auch den Zugang in der Muttersprache zu garantieren, antwortete LR Deeg. LH Kompatscher berichtete, dass es dazu bereits ein Einvernehmen mit dem Staat gebe. Ploners Antrag wurde abgelehnt.
Sven Knoll regte an, bestimmte Codewörter zu vereinheitlichen. Im ORF werde oft bekannt gegeben, dass im Krankenhaus nach dem “Dr. Viola” verlangt werden solle, wenn es um Gewaltfälle gehe, während in Italien andere Codes verwendet würden.
In Österreich werde die Notrufnummer auf die Milchpackungen gedruckt, bemerkte Maria Elisabeth Rieder, das könnte man auch hier machen.
Franz Ploner bemerkte, dass man auch den Verweis auf das römische Department für Chancengleichheit streichen müsse, wenn man von der Nr. 1522 abgehe. Diesen Vorschlag nahm LR Deeg auf. Neben der Milchpackung würde sich auch der Kassazettel eignen, um die Nummer bekanntzumachen.
Der Artikel (ohne 1522 und Department für Chancengleichheit) wurde mit 28 Ja und 3 Enthaltungen genehmigt.

Art. 4 betrifft den Frauenhausdienst.
Franz Ploner forderte, dass der Dienst im Notfall auch für Frauen von außerhalb des Landes offen sein müsse, wie es die Istanbul-Konvention verlange. LR Deeg legte einen Antrag vor, wonach dies möglich ist, sofern es eine Vereinbarung mit dem zuweisenden Dienst gebe. Das laufe dem Sinn des Gesetzes zuwider, meinte Brigitte Foppa, Gewaltsituationen könnten sich überall ergeben. Es gehe bei der Bestimmung um die verfügbaren Plätze und die gegenseitige Hilfe zwischen den Diensten, erwiderte Deeg, in der Praxis führe das nicht zu Problemen - niemand in Notsituationen werde abgewiesen. Deegs Antrag, der Ploners Antrag ersetzt, wurde angenommen.
Brigitte Foppa schlug vor, dass der Dienst entweder direkt von Land, Gemeinden oder Bezirken finanziert wird oder über Vereinbarung mit Organisationen, die bereits auf diesem Feld arbeiten. Die Frauenhäuser hätten mit dem Delegierungsgesetz bereits eine sichere Finanzierung, antwortete LR Deeg, das brauche man nicht ändern. Foppas Antrag wurde abgelehnt.
Der Artikel wurde mit 28 Ja und 4 Enthaltungen genehmigt.

Die Debatte wird morgen wieder aufgenommen.

AM

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