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Plenarsitzung - Gesetz zur Direkten Demokratie verabschiedet

Artikeldebatte zum Büro für politische Bildung, zur Information und zur Abschaffung des bestätigenden Referendums. Die Erklärungen zur Stimmabgabe.

Art. 13 betrifft das Büro für politische Bildung und Beteiligung und die Verbindungsstelle für das Büro für politische Bildung und Bürgerbeteiligung.
Josef Noggler ersuchte um getrennte Abstimmung zu Abs. 1 Buchstabe g), da dieser auf eine Bestimmung verweise, die es nicht gebe. Brigitte Foppa sah nicht die versprochene Vereinfachung in dem Artikel. Es werde ein Büro für politische Bildung geschaffen, das beim Eurac angesiedelt werde, und dann noch eine Verbindungsstelle beim Präsidium, das überdies Ausdruck der Mehrheit sei. Die Verbindungsstelle sei dadurch nicht mehr politisch unabhängig. Das Büro sollte einem überparteilichen Organ angegliedert werden, dem Fraktionssprecherkollegium. Bei Ausrichtungsfragen müsse das Einverständnis von allen Fraktionen kommen. Die Information über den Abstimmungsgegenstand sollte vom Büro vorgenommen werden, nicht von der Verbindungsstelle, die vom Präsidium abhänge. Die Durchführungsbestimmungen des Präsidiums zum Büro sollten vom Landtag mit Zweidrittelmehrheit genehmigt werden müssen. Auch die strategische Ausrichtung der Verbindungsstelle müsse dem Fraktionssprecherkollegium unterliegen. Andreas Leiter Reber betonte, dass dieses Anliegen nicht von einer Richtung komme: Es brauche hier größtmögliche Neutralität. Die Mehrheit stelle 86 Prozent des Präsidiums. Man dürfe kein Politbüro draus machen. Das Verständnis, dass dies keine Demokratie sei, sei zentrales Element der politischen Bildung. Alex Ploner stimmte dem zu. Die Verbindungsstelle überwache das Büro und sei an die Weisungen des Präsidiums gebunden. Alessandro Urzì forderte die Streichung der Buchstaben b) (Förderung der politischen Bildung in der Bevölkerung) und f) (didaktisches Material für die Schulen) aus den Aufgaben des Büros, außerdem eines Teils von d) (Förderung des Zuspruchs für die Autonomie). Besonders Letzteres sei Regimepropaganda. Die Mehrheit wolle sich ein Sicherheitspolster in der Bevölkerung schaffen und ihre Lesart von der Wirklichkeit verbreiten. Das sei der Verfall der Demokratie in Südtirol. Brigitte Foppa fragte nach den Hintergründen, warum die Information über einen Referendumsgegenstand nicht vom Büro geleistet werde, sondern von der Verbindungsstelle. Andreas Leiter Reber zeigte ein gewisses Verständnis für die Bedenken Urzìs. Es entstehe der Verdacht, man wolle einen Autonomiepatriotismus schaffen. Wenn man Urzìs Anträge annehmen würde, dann könnte man gleich auf alles verzichten, meinte Josef Noggler. Wenn man die politische Bildung aus den Aufgaben des Büros für politische Bildung streiche, habe es nichts mehr zu tun. Er betonte, dass mit diesem Gesetz das Büro nicht ausgesiedelt werde; es würden nur Verhandlungen über eine eventuelle Aussiedlung möglich. Er frage sich, was Foppa gegen das Präsidium habe. Die Verbindungsstelle sei eine Koordinierungsstelle, die Parteiunabhängigkeit garantieren solle. LH Arno Kompatscher schloss sich dem an, zeigte aber ein gewisses Verständnis für den Einwand gegen die Aufgabe, für Zuspruch zur Autonomie zu werben. Man wolle keine Propaganda. Kompatscher schlug vor, den “Zuspruch” zu streichen, dann bleibe das “Verständnis für die Autonomie”. Andreas Leiter Reber sah dies als guten Vorschlag. Sven Knoll kritisierte diesen Vorschlag, die Autonomie sei die Grundlage dieses Landes, diese werde man wohl noch bewerben dürfen. Es sei Knoll und nicht er, der die Autonomie immer wieder angreife, antwortete LH Kompatscher. Als vehementer Verteidiger der Autonomie stehe er dennoch dazu, dass politische Bildung nicht eine Richtung vorzugeben habe. Knoll wehrte sich gegen den Vorwurf, der haltlos sei; er bringe immer wieder Vorschläge zur Verteidigung der Autonomie, z.B. zur Einhaltung der Sprachbestimmungen. Alessandro Urzì sah in dem Artikel weiterhin den Ansatz zur Propaganda, auch wenn der “Zuspruch” gestrichen werde.
Die Änderungsanträge wurden abgelehnt.
Brigitte Foppa fand die Debatte wichtig, sie sei ein Paradebeispiel für politische Bildung gewesen, denn bei dieser gehe es um Unabhängigkeit. Alessandro Urzì erklärte, dass man nun nicht getrennt über das Wort “Zuspruch” abstimmen dürfe, da man bereits über seinen Änderungsantrag zum Thema abgestimmt habe - ne bis in idem. Dem widersprachen Riccardo Dello Sbarba und Präsidentin Rita Mattei, es seien nicht dieselben Worte.
Der Artikel wurde - ohne das Wort “Zuspruch” und ohne Buchstabe b) - mit 18 Ja, 13 Nein und 3 Enthaltungen genehmigt.

Art. 14 betrifft die Information.
Brigitte Foppa forderte die Streichung der Absätze 1 und 2, welche die Information zu Referenden und die Organisation von Informationsveranstaltungen der Verbindungsstelle überträgt. Josef Noggler betonte, dass die Verbindungsstelle eine Koordinierungsstelle sei, sie sei auch Ansprechpartner für die Politik. Foppa kritisierte, dass das Büro nicht über Volksabstimmungen informieren solle. Mit diesem Artikel entfalle auch die Förderung von Informationsveranstaltungen, die bisher oft von Vereinen geboten wurden, etwa vom Jugendring. Gert Lanz sprach von einem Missverständnis. Das Büro könne nach Absprache mit der Verbindungsstelle selbst agieren. Die Verbindungsstelle müsse sich ihrerseits mit dem Büro absprechen, bevor sie mit der Information starte. Foppas Streichungsanträge wurden abgelehnt.
Der Artikel wurde mit 18 Ja, 12 Nein und 3 Enthaltungen genehmigt.

Art. 15 sieht eine schriftliche Information für alle Haushalte vor.
Brigitte Foppa erinnerte an die Broschüre zum Flughafenreferendum, die eine gute Erfahrung gewesen sei. Sie forderte, dass bei der Besetzung des Redaktionsteams die verhältnismäßige Stärke von Mehrheit und Opposition zwingend und nicht nur nach Möglichkeit abgebildet werden soll. Der Entwurf sehe zu diesem Punkt nur ein obligatorisches Gutachten der Fraktionen vor. Das Team sollte außerdem vom Fraktionssprecherkollegium genehmigt werden und nicht vom Präsidium. Streichen wollte Foppa hingegen die Bestimmung, dass jede Fraktion gemäß ihrer Stärke vorkommen solle. Andreas Leiter Reber stimmte dem zu; jede Fraktion sollte gleich viel Platz haben. Anders funktioniere das nicht.
Foppas Anträge wurden abgelehnt.
Gert Lanz wies auf die ausgewogene Geschlechtervertretung hin, die im Artikel ebenfalls vorgesehen sei.
Der Artikel wurde mit 18 Ja, 13 Nein und 3 Enthaltungen genehmigt.

Art. 16 war bereits im Gesetzgebungsausschuss gestrichen worden.

Art. 17 regelt die Spesenrückvergütung und wurde mit einer von Josef Noggler vorgeschlagenen Präzisierung ohne Debatte genehmigt.

Art. 18 regelt die Abstimmung.
Josef Noggler hat dazu eine Zusatzbestimmung vorgelegt, die die Abstimmungsbeteiligung ab 16 betrifft. Dieser Absatz sei vom zuständigen Landesamt ausgearbeitet worden. Der Ersetzungsantrag wurde mit 31 Ja und 3 Enthaltungen angenommen (und damit der Artikel).

Art. 18-bis sieht die Aufhebung alter Bestimmungen vor.
Dazu lag ein Änderungsantrag von Josef Noggler vor und ein Änderungsantrag von Carlo Vettori zu ersterem. Brigitte Foppa mutmaßte, dass Nogglers Antrag nur als Platzhalter für Vettoris Antrag gedacht sei, der das bestätigende Referendum aufheben wolle. Es sei beeindruckend, welche Angst man vor einem Instrument habe, das noch nie verwendet worden sei. Die Gefahr der 300 Unterschriften sei leicht zu vermeiden, wenn man für die Landesgesetze eine Zweidrittelmehrheit, den Konsens suche. 13.000 Unterschriften, die es im Anschluss brauche, seien schwer zu sammeln, die Leute würden so etwas nicht aus Jux beginnen. Carlo Vettori verwies auf das Autonomiestatut, das einen höheren Rang habe als andere Gesetze. Wenn das bestätigende Referendum nicht im Einklang mit dem Statut sei, müsse man dies korrigieren, um nicht einen gefährlichen Präzedenzfall zu schaffen. Giuliano Vettorato stimmte zu, dass 13.000 Unterschriften viel seien, 300 aber nicht, und so viele würden genügen, um ein Gesetz monatelang zu blockieren. So könnten auch Lobbys die Gesetzgebung blockieren. Gert Lanz betonte, dass die 300-er Klausel bereits bei jedem Gesetz zum Einsatz kam, weil man vor Inkrafttreten immer auf den Verfall des Termins für die Unterschriften warten musste. Und wenn die 300 Unterschriften zusammenkämen, müsse man sechs Monate warten. Man warte auf die “richtige” Mehrheit, nicht die gewählte. Diese Bestimmung sei von Anfang an als problematisch angesehen worden. Man sollte ehrlich sein zu den Leuten, am Ende müsse der Landtag entscheiden. Riccardo Dello Sbarba forderte diese Ehrlichkeit von der Mehrheit ein. Die Änderungsanträge der Opposition lägen nicht unterschrieben vor, weil sie nicht das Personal habe, sie zweisprachig und fertig vorzulegen; das würden dann die Ämter übernehmen, und das unterschriebene Original liege im Aktenschrank. Die Anträge Nogglers und Vettoris seien hingegen unterschrieben, hätten identisches Layout, ein Hinweis, dass Vettori den Antrag nur unterschrieben, aber nicht geschrieben habe. Die SVP habe nicht den Mut gehabt, den Antrag selber einzureichen. Carlo Vettori bezeichnete dies als Unterstellung. Er sei es gewohnt, zu seinen Aktionen zu stehen, und deshalb unterschreibe er seine Anträge. Für Alex Ploner war es egal, wer den Antrag geschrieben oder unterschrieben habe. Er sei auf jeden Fall eine klare Willensbekundung. Vettori hatte bereit im Ausschuss keinen Einwand gegen die Streichung des bestätigenden Referendums. Man hätte auch die Unterschriftenzahl erhöhen können. Gerade deshalb brauche es eine Direkte Demokratie - es brauche die Möglichkeit, auch im Nachhinein zu korrigieren. Er hoffe, man bekomme die 13.000 Unterschriften zusammen, damit man die Bürger fragen könne, was sie von diesem Gesetz halten. Mit diesem Antrag werde der Schlussstrich unter das bestätigende Referendum gezogen, urteilte Sandro Repetto. Es sei bereits angekündigt worden, dass man mit der Bestimmung zu den 300 Unterschriften nicht zufrieden sei, aber nicht, dass man es total abschaffen wolle. Er schlug eine Unterbrechung vor, um einen Kompromiss zu finden. In seinem damaligen Gesetzentwurf seien zwei Punkte wesentlich gewesen, erklärte Gert Lanz, das Gesetz anwendbar zu machen und die Änderung zum bestätigenden Referendum. Nach Verabschiedung eines Landesgesetzes bleibe immer noch die Einspruchsmöglichkeit für die Bevölkerung, das abschaffende Referendum bleibe erhalten. Manche wollten hingegen immer “nachkarten”, bis ihnen das Ergebnis passe. Sven Knoll gab Lanz recht, dass es irgendwann Entscheidungen brauche, aber die repräsentative Demokratie habe nicht das Recht, dem Volk die Einspruchsmöglichkeit zu verwehren. In gewissen Fällen müsse der Bürger das Recht haben, korrigierend einzugreifen. Er habe schon oft Unterschriften gesammelt, und das gelinge, wenn einem das Ziel wichtig sei. Er wäre bereit gewesen, die 300 Unterschriften auch zu verdoppeln oder zu verdreifachen, aber das habe die Mehrheit nicht vorgeschlagen. Dieses Gesetz werde nun wahrscheinlich einer Volksabstimmung unterzogen, und das sei keine gute Situation für die Mehrheit, aber auch nicht für die Demokratie. Deshalb sollte man einen anderen Weg gehen und einen Kompromiss finden.
Der Antrag Vettoris wurde mit 17 Ja, 16 Nein und 1 Enthaltung genehmigt, der Antrag Nogglers mit 18 Ja und 16 Nein.
Der Artikel wurde mit 18 Ja und 16 Nein genehmigt.

Art. 19 mit der Finanzbestimmung, Art. 20 zum Rat der Gemeinden und Art. 21 zum Inkrafttreten wurden ohne Debatte genehmigt.

Erklärungen zur Stimmabgabe

Brigitte Foppa (Grüne) meinte, dies sei heute keine Sternstunde der Demokratie gewesen. Sie habe hier viel Kleingeistigkeit erlebt. Sie habe an die Partizipation geglaubt, sie habe geglaubt, man könne vieles davon in die repräsentative Demokratie tragen, z.B. das Verhandeln zwischen Positionen. Jetzt sehe sie, dass die repräsentative Demokratie, am Ende doch in die andere Richtung gehe. Hier habe sich die Mehrheit, habe sich der Landeshauptmann vieles vergeben. Sie selbst sehe sich als Vermittlerin zwischen beiden Systemen.

Paul Köllensperger (Team K) sah den positiven Effekt der direkten Demokratie darin, dass sie den Gesetzgebungsprozess bereits im Vorfeld beeinflusse. Der Druck zur Zweidrittelmehrheit dränge zum Kompromiss. Die SVP hätte einfach sagen können, dass sie das nicht wolle, anstatt dieses Trauerspiel aufzuführen und sich hinter Vettori zu verstecken. Das zuständige Ministerium habe das bestehende Gesetz geprüft und nicht angefochten. Die SVP empfinde das bestätigende Referendum als Einmischung der Bürger. Sie beziehe sich dabei auf das Statut. Auch seine Seite werde das Statut in Anspruch nehmen, um die Bürger zu fragen, was sie von diesem Gesetz halten.

In der Schweiz mache man sich nicht die Sorgen, dass die Direkte Demokratie von jemandem missbraucht werden könnte, meinte Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit). Die Mehrheit habe heute auch den demokratischen Institutionen einen Schaden zugefügt. Seine Fraktion werde überzeugt gegen dieses Gesetz stimmen. Der Mehrheit fehle die demokratische Größe, das Volk bei Entscheidungen einzubinden.

Magdalena Amhof (SVP) bedauerte die schlechte Stimmung. Tatsache sei, dass man heute große Verbesserungen vorgenommen habe, etwa bei der politischen Bildung und beim Bürgerrat. Das derzeit gültige Gesetz gehe zwar weiter, sei aber nicht praktikabel. Nicht sei in Stein gemeißelt, und man werde auch mit diesem Gesetz seine Erfahrungen machen, bevor man wieder Hand anlege.

Zu politischer Bildung gehöre auch das Interesse an dem, was heute abgelaufen sei, erklärte Andreas Leiter Reber (Freiheitliche). Heute hätten Erwachsene den Siebenjährigen angestellt, die Kirschen zu stehlen, das sehe nicht gut aus. Seine Fraktion werde gegen das Gesetz stimmen.

Wenn die SVP den Änderungsantrag eingebracht hätte, hätten natürlich alle dafür gestimmt, scherzte Gert Lanz (SVP). Die SVP stehe zu ihrer Meinung, auch wenn sie morgen als Feindin der Demokratie in der Zeitung stehe. Die Opposition störe am meisten, dass die SVP an der Mehrheit sei, das sei der Grund. Man habe heute das Gesetz so abgeändert, dass es anwendbar sei. Man solle nicht so tun, als habe die SVP beim letzten Tor einen Fehler gemacht, sonst sei alles gut gewesen.

Carlo Vettori (Forza Italia Alto Adige Südtirol) betonte, dass hier niemand Kirschen gestohlen habe. Heute sei ein Gesetz verbessert worden, ein Gesetz, das mit viel Enthusiasmus und unter viel Aufmerksamkeit geschrieben worden sei, aber Fehler enthalten habe. Manche täten so, als sei das Spiel ungültig, wenn es nicht nach ihren Regeln ablaufe.

Diego Nicolini (5 Sterne Bewegung) kündigte seine Gegenstimme an. Die Direkte Demokratie sei die höchste Form der Demokratie. Wo es viel Direkte Demokratie gebe, gebe es viel Demokratie, das andere Ende seien die Diktaturen. Er hoffe, dass dieses Gesetz einer Volksabstimmung unterzogen werde.

Sandro Repetto (Demokratische Partei - Bürgerlisten) kündigte ebenfalls ein Nein an. Heute habe man ein Instrument der Direkten Demokratie auf einem nicht transparenten Wege abgeschafft. 2018 seien alle Kräfte im Saal eingebunden worden, heute nicht.

Der Gesetzentwurf wurde mit 18 Ja und 15 Nein genehmigt.

Präsidentin Rita Mattei schloss die Sitzung um 21:24 Uhr.

AM

Die erste Juni-Sitzung 2021

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